Hotel- und Gastronomieverband DEHOGA Hessen e.V.

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Gasthaussterben in Hessen - Zukunft eines Kulturgutes

Die Landgastronomie – Umbruch und Herausforderungen

Insbesondere die Gemeinden im ländlichen Raum stehen heute vor großen Herausforderungen, die es zu meistern gilt, um auch in Zukunft lebens- und liebenswerter Wohnort für Bürgerinnen und Bürger sowie attraktiver Standort für Unternehmen und Investoren zu bleiben.

Oft stehen die medizinische Versorgung und das Schul- und Bildungsangebot im Fokus. Doch auch ein weiterer Baustein für die Lebensqualität vor Ort, der vielen als selbstverständlich gilt, ist in Gefahr: unsere Landgasthäuser.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass ohne Gasthaus im Dorf etwas Wichtiges fehlt: ein Ort der Begegnung, des Austausches, der Gemeinschaft, der Lebensfreude und des kulinarischen Genusses.

Hessen zählt heute rund 1 800 klassische Gaststätten. Das sind vorwiegend Gasthäuser, Dorfgaststätten und die so genannten Kneipen, also exakt das Gastronomiesegment, das uns hinsichtlich seiner Entwicklung in den letzten Jahren und bezüglich seiner Zukunftsprognose die größten Sorgen bereitet.

Eben diese Gaststätten stehen vor der großen Aufgabe, die Herausforderungen der Nachfolge, des demografischen Wandels sowie Investitionsstau und Finanzierungsengpässe erfolgreich zu meistern. Denn kaum eine andere Branche unterliegt dem stetigen Wandel so sehr wie das Gastgewerbe. Der Einsatz für den Erhalt der Landgastronomie ist eine wichtige Aufgabe für den DEHOGA als Branchenverband der Gastronomie. Es geht nicht nur um Arbeitsplätze und Lebensqualität, sondern auch um den Erhalt eines hessischen Kulturgutes.

Die Nachfolgeproblematik

Wir stehen aktuell inmitten eines gigantischen Generationenwechsels in der Mehrheit der hessischen Gaststätten und Gasthäuser. In den meisten Fällen müssen wir feststellen, dass die Betriebe nicht mehr fortgeführt werden, da sich keine Nachfolger gefunden haben oder finden lassen. Bei der Nachfolge gibt es grundsätzlich zwei Szenarien, nämlich einerseits die familieninterne Nachfolge, die aber voraussetzt, dass die Kinder der Gastwirte tatsächlich den elterlichen Betrieb übernehmen. Dieser Fall ist gerade in den kleinstbetrieblichen Bereichen der Kneipen und Gaststätten kaum noch vorhanden. Und andererseits die erfolgreiche Suche nach einem Nachpächter oder Käufer des im Eigentum stehenden Betriebs. 

Bürokratie und Erschwerungen qua Gesetz

Sicher, das Rauchverbot hat der Gastronomie in Hessen, jedenfalls nachdem es relativiert und geöffnet wurde, gut getan. Es musste aber geöffnet werden, denn sonst wäre dies in der Tat der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht und den Kneipen und Gasthäusern eine wichtige Nische genommen hätte.

Dafür hat der DEHOGA – und zwar ausschließlich für diese Betriebe – gekämpft und wurde dafür belächelt, ja diffamiert. Heute wundert sich Bayern mit seinem absoluten Rauchverbot über ein massives Kneipensterben.

Doch auch ohne dieses Thema müssen Gastwirte in den letzten Jahren mit einer immer weiter steigenden Anzahl an bürokratischen Gängelungen zurechtkommen. Größere Betriebe haben damit weniger Schwierigkeiten, aber Gasthäuser mit durchschnittlichen Jahresumsätzen nicht über 120.000 bis 150.000 Euro hingegen schon. Hier sei allein auf das kostentreibende Thema Brandschutz in den Kommunen hingewiesen. Da stehen sich durchboxende Betriebe auf einmal vor dem finanziellen Ruin, weil die Brandschutzauflagen steigen und der Bestandsschutz entfällt. Hygiene-Ampel, Allergenkennzeichnung u.v.m. sind für diese Betriebe schon gar nicht mehr ernsthaft diskutabel.

Investitionsstau und Finanzierungsengpässe

In diesem Zusammenhang stellt sich das weitere Problem eines enormen Investitionsstaus dar. In vielen Betrieben reichten die Gewinnmargen in den vergangenen Jahren nicht mehr aus, um die Holzvertäfelung, die Sitzpolsterung und den Resopaltresen aus den 70ern zu erneuern. Banken gewähren hier keine Kredite oder nur zu Zinssätzen, die nicht darstellbar sind. Ein Teufelskreis, denn welcher junge, gut ausgebildete Koch kommt aus der internationalen Branche zurück und will sich das ernsthaft antun?

Wirtschaftliche Belastung eines Pachtbetriebes

Erlöse aus Speisen und Getränken 250.000 Euro 100 Prozent
Warenkosten 75.000 Euro 30 Prozent
Personalkosten 75.000 Euro 30 Prozent
Energie 12.500 bis 15.000 Euro 5 bis Prozent
Pacht 20.000 bis 25.000 Euro 8 bis 10 Prozent
Sonstige Kosten (Büro, Leasing, Versicherungen) 37.500 bis 40.000Euro 16 bis 16 Prozent
Jahresgewinn (vor Steuern) 20.000 bis 25.000 Euro 8 bis 10 Prozent

Der demografische Wandel und die Entvölkerung ländlicher bzw. dörflicher Strukturen

Gerade in den ländlichen Strukturen brechen ganze Gemeinschaften sukzessive einfach weg. Bekannt ist dies bereits am Beispiel des akuten Ärztemangels in den ländlichen Regionen. Viel zu lange haben die Kommunen den hohen sozialen Wert ihrer lokalen Gastronomie nicht wahrgenommen und diese nicht gepflegt. Vielmehr hat die Kommunalpolitik die Gastgeberbranche einer immer weiter wachsenden Vielzahl an behördlichen Auflagen und Erfordernissen ausgesetzt.

Die Betriebe funktionieren heute ohnehin nur noch, wenn die Wirtin oder der Wirt in Übervollzeit präsent sind und Familienangehörige eingesetzt werden können. Für Spitzenzeiten werden 450-Euro-Kräfte eingesetzt. Anders ist das gar nicht mehr darstellbar und die Umsätze bzw. Erträge reichen kaum zur Existenzsicherung der Wirte aus, von einer Altersvorsorge ganz zu schweigen. Und in dieser Situation sprechen wir zudem noch von politischen Vorstößen, die Minijobs ganz abzuschaffen und Mindestlöhne einzuführen.

Entwicklung des Wirtschaftsfaktors Tourismus in Hessen bis 2025

Der demografische Wandel in Hessen wird in den kommenden Jahren konkrete Auswirkungen auf die touristische Nachfrage in Hessen haben

Heute 2025 Differenz
Tagesausflüge nach Hessen 181,5 Mio. 173,3 Mio. -4,5 Prozent
Tagesreisen nach Hessen 45,4 Mio. 39,5 Mio. -12,9 Prozent
Rückgang der Bruttoumsätze 11,5. Mrd 11,0 Mrd. -4,3 Prozent

Ausblick

Doch es gibt nicht nur Ausnahmen, sondern auch Licht am Horizont. Es gibt aus betriebswirtschaftlicher, touristischer und marketingtechnischer Sicht echte Chancen, die „Nische“ Gasthaus attraktiv und wirtschaftlich zu entwickeln. Dafür gibt es in Hessen tolle und spannende Beispiele. Allerdings brauchen wir, um über Einzelfälle hinaus dem Gaststättensterben im Sinne der Lebensqualität der Menschen entgegenzuwirken, auch ein Umdenken der politischen Verantwortungsträger sowie eine Stärkung der Wahrnehmung und des Rufes eines hessischen Gastwirtes, der seine ganze Leidenschaft und Lebenszeit seiner Berufung widmet. Denn gerade dies unterscheidet ihn (oder die Gastwirtin) von der Systemgastronomie und den Kettenbetrieben, die boomen.